Adventskalender

22.03.2020 (So)

Andacht zu Lätare

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet
(Jesaja 66, 13)

Aus dem Wochenpsalm

Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachwandeln!
Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur andern
und schauen den wahren Gott in Zion.
Herr, Gott Zebaoth, höre mein Gebet;
vernimm es, Gott Jakobs!
Gott, unser Schild, schaue doch;
sieh doch an das Antlitz deines Gesalbten!
Denn ein Tag in deinen Vorhöfen
ist besser als sonst tausend.
Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause
als wohnen in der Gottlosen Hütten.
Denn Gott der Herr ist Sonne und Schild;
der Herr gibt Gnade und Ehre.
Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.
Herr Zebaoth, wohl dem Menschen,
der sich auf dich verlässt!
Psalm 84, 6 - 13

 

Meditation

 

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. – Das sagt Gott zu seinem Volk Israel in zermürbender und schwieriger Zeit und so lesen wir das im Predigttext für heute (Jesaja 66, 10 – 14). Und da geht das dann noch weiter: Wie ein Kind werde Israel auf den Arm genommen und auf den Schoß gesetzt und es werde gestillt, wie eine Mutter einen Säugling stillt. Um ehrlich zu sein, ist mir das ein bisschen viel. Mir hätte es gereicht, in den Arm genommen zu werden. Gerade jetzt, wo wir alle auf Distanz gehen müssen, scheint das noch einmal besonders schön. Aber dann möchte ich vor allem auch in den Arm genommen werden wie ein Erwachsener. So ein Säuglingsgefühl ist für mich sehr weit weg und so richtig ersehne ich das auch gar nicht.
Das hat natürlich mit Selbständigkeit zu tun. Ich bin nicht naiv und weiß, an wie vielen Stellen ich andere brauche oder ich mit anderen so verbunden bin, dass ich es ohne nicht will und kann. Ich bin kein einsamer Wolf und möchte keiner sein. Aber selbständig fühle ich mich eigentlich doch. Zumindest nicht mehr wie ein Säugling, der getragen und gestillt werden muss. Eigene Schritte und etwas feste Nahrung traue ich mir schon zu.
Eigentlich. Und dann sitzen wir hier in diesen Tagen und sehen zu, wie das öffentliche Leben um uns herum zerbröselt. Und ja nicht nur irgendwie das öffentliche Leben sondern unseres. Für mich Treffen und Besuche in der Gemeinde, Sitzungen, Andachten, Gottesdienste, aber auch Eisessen, Blumenkaufen und Über-den-Markt-Schlendern. Unsere Jungs treffen ihre Freunde nur noch online, unsere Tochter muss ihr Auslandsjahr abbrechen und hofft, dass das Außenministerium den Flug organisieren wird, und am Mittwoch saßen wir hier auf dem Sofa und haben die erste Nicht-Silvester-Fernsehansprache unserer Kanzlerin gehört. Der Schwager, Musiker in Berlin, steht vor dem wirtschaftlichen Ruin wie so viele andere auch. Und manche Familie hat ganz schön damit zu kämpfen, plötzlich den ganzen Tag aufeinander zu hocken.
Und das sind ja die uneigentlichen Folgen dieser Pandemie. Was eigentlich an Krankheit und Leiden und Not damit zusammen hängt, hören wir im Moment aus Italien und fürchten uns.
So furchtbar selbstbestimmt ist das alles nicht. Hilflos sehen wir zu, wie rasant sich die Dinge entwickeln. Vor wenigen Tagen wird klar: In unserer direkten Nähe gibt es den ersten bestätigten Corona-Fall. Ich hatte Kontakt. Inzwischen weiß ich, dass ich auch infiziert bin. Mir und meiner Familie geht es recht gut, aber habe ich da schon etwas ins Land getragen? Wen könnte ich angesteckt haben? Wird es irgendjemanden schwer treffen? – Eigentlich möchte ich doch ganz gerne auf den Schoß – erwachsen hin, erwachsen her.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. – Das ist kein Wort für die guten Tage. Das ist für die Tage, an denen es schief läuft oder schief gelaufen ist, an denen man nicht weiter weiß, mit denen man nicht klar kommt. Auch für die Tage von Erschrecken und Furcht. Wie mag eine Mutter – oder ein Vater – da trösten? Sicherlich am wenigsten damit, dass sie erklärt oder argumentiert. Und auch nicht, indem sie so tut, als wäre nichts gewesen. Ein Kind, das Trost braucht, braucht es, dass die Mutter hinguckt, dass sie sieht und ernst nimmt, was passiert ist. Es braucht Zuwendung und Liebe und tatsächlich nimmt man es am besten auf den Schoß; bei unsern Kindern war das auf jeden Fall so. Getragen sein. Gehalten sein. Das ist ein unendlich gutes Gefühl, wenn es gerade weh tut oder aussichtslos erscheint oder so traurig wird.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. – Was tröstet denn jetzt? Einmal die Zuversicht, dass der Gott, der selbst gelitten hat, der selbst mit der Angst gekämpft hat, der weiß, was Not ist, dass dieser Gott uns sieht. Dass er hinguckt und weiß, was weh tut.
Und dann das Festhalten an seiner Liebe: Da kommen wir her. Ohne seine Liebe gäbe es uns nicht und seine Liebe wird einen Weg für uns finden. Vielleicht nicht den, den wir uns wünschen, aber einen, den wir gehen können. Manches können und manches müssen wir ganz in seine Hände legen.
Und dann, dass wir einander haben. Treffen können wir uns jetzt nicht. Aber wir wissen von einander, wir hören, wir telefonieren, wir skypen. Ich weiß von manchen, die für die Nachbarn die Einkäufe mit erledigen oder den Weg zum Arzt begleiten. Ich höre von vielen kreativen Ideen, um Kontakte zu halten oder aufzubauen. Ich bekomme manche Nachricht mit Besserungswünschen und Mutmachsätzen. Gut, dass wir einander haben. Gut, dass Gott uns einander anvertraut. – Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. – Ja, bitte: So tröste uns, Gott. Amen.

Gebet
Gott, Vater und Mutter, tröste uns und alle Welt.
Wir bitten Dich für Deine Kranken, hier bei uns und überall. Sei bei ihnen und gib Kraft und Hoffnung.
Wir bitten Dich für alle, die mit ihrem Beruf für andere da sind: Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Einzelhändler, Apothekerinnen, Rettungskräfte, Menschen in den Verwaltungen und die vielen anderen: Sei da. Tröste, wenn es zu viel wird. Gib jeden Morgen neuen Mut.
Wir bitten Dich für alle, die auf dem Weg nach Hause sind. Die in der Krise plötzlich im Ausland feststecken oder auf Autobahnen nicht weiter kommen. Gib Geduld und lass die Hilfe ankommen. Zeige Wege und begleite sie.
Wir bitten Dich für alle, die für unsere Gesellschaft Entscheidungen treffen müssen. Bleibe bei ihnen mit deinem Geist von Kraft und Liebe und Besonnenheit.
Wir bitten Dich für alle Menschen auf der Flucht. Für die, die unter Krieg und Gewalt leiden. Für die, die der Verfolgung ausgesetzt sind. Hilf, rette und tröste. Lass uns sehen, was wir tun können.
Wir bitten Dich für uns alle. Sei Du bei uns in diesen Tagen. Schenke uns Zuversicht und Hoffnung und lass uns Deine Gegenwart spüren. Tröste uns, wie einen seine Mutter tröstet.

Amen.

     1. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
sei mit uns auf unsern Wegen.
Sei Quelle und Brot in Wüstennot,
sei um uns mit deinem Segen,
sei Quelle und Brot in Wüstennot,
sei um uns mit deinem Segen.

     2. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
sei mit uns in allem Leiden.
Voll Wärme und Licht im Angesicht,
sei nahe in schweren Zeiten,
voll Wärme und Licht im Angesicht,
sei nahe in schweren Zeiten.

     3. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
sei mit uns vor allem Bösen.
Sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen,
sei Hilfe, sei Kraft, die Frieden schafft,
sei in uns, uns zu erlösen.

     4. Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott,
sei mit uns durch deinen Segen.
Dein Heiliger Geist, der Leben verheißt,
sei um uns auf unsern Wegen,
dein Heiliger Geist, der Leben verheißt,
sei um uns auf unsern Wegen.

EG 171
Text: Eugen Eckert (1985) 1987
Melodie: Anders Ruuth (um 1968) 1984 »La paz del señor«

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