Adventskalender

04.12.2025 (Do)

4. Dezember

Advent in den Siebzigerjahren

Die 70er – erinnern Sie sich an diese schrille, bunte Zeit? Das Wort des Jahres 1971 beschreibt das Jahrzehnt absolut passend: „Aufmüpfig“ also ungehorsam und vor allem eigenwillig.
Der Advent der 70er war jedoch – so meine ich mich zu erinnern – das genaue Gegenteil. Er war….
…. gemütlich.

Wenn der erste Schnee kam (oder man ihn sich wenigstens im Wetterbericht der Tagesschau erhoffte), roch es in den Häusern nach Bienenwachs, Vanille und ein bisschen nach Kohleofen. Der Adventskranz war selbst gebunden – manchmal etwas schief, aber liebevoll.
Die Adventsbeleuchtung bestand aus einer einzigen Lichterkette – und wehe, eine Birne (so nannte man die Leuchtmittel damals noch) war kaputt. Dann war’s finster. Aber egal, in der Schublade lagen noch Kerzen, die man ins Fenster stellen konnte. Jedoch bitte nicht die guten Bienenwachskerzen, die waren für den Weihnachtsbaum am Heiligen Abend. Die Krippe wurde erst am 23.12. ausgepackt, und Josef bekam regelmäßig den Kopf neu angeklebt. Niemand fand das schlimm – im Gegenteil, er gehörte einfach so dazu.

Plätzchenteig wurde mit der Hand geknetet und vom Tonband erklang Heintjes engelsgleiche Stimme mit „Mamatschi, schenk’ mir ein Pferdchen“.
Apropos schenken. Auch damals gab es schon Wunschzettel. Diese sollte man jedoch bis zum Nikolaustag geschrieben haben, da – man glaubt es kaum – die Geschenke noch persönlich gekauft und eben nicht per Mausklick im Netz bestellt wurden.

Was stand damals auf Ihrem Wunschzettel? Vielleicht auch die Agfamatic Kamera, kurz: Die Ritsch, Ratsch, Klick? (20-24 Bilder schießen, Film zum Entwickeln bringen und innerhalb einer Woche hatte man die Ergebnisse in der Hand.)
Oder war es gar ein cooles Bonanzarad? Natürlich – das war selbstverständlich - blieben Wünsche auch unerfüllt.  Dafür gab es zu Weihnachten dann Überraschungen. Geschenke, die nie auf einer Liste standen.

Das Fernsehprogramm passte sich der Adventsstimmung an. Die Fernsehansagerin saß neben einem buntem Adventsgesteck, an dem auch Lametta hing.
1x in 24 Tagen wurde „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ausgestrahlt. Wenn man den Film verpasste, musste man bis zum nächsten Jahr warten. (Heute läuft das Märchen gefühlt 24x an einem Tag, nur auf verschiedenen Sendern.) Und selbstverständlich wurde die schöne Stimmung nicht durch Werbung unterbrochen -
man konnte tatsächlich in der Adventsstimmung verharren.

Der Advent war seinerzeit also tatsächlich nicht aufmüpfig und ungehorsam – wie die der Rest der 70er - sondern eine Einladung, langsam zu werden.

Und die Einladung wurde angenommen, weil man das Warten noch konnte. Zwischen Kerzenwachs, Lebkuchen und Wunschzetteln lag dieses kleine Stück Hoffnung, das Freude aufkommen ließ. Und vielleicht ist genau das der wahre Advent – ganz viel Hoffnung, versüßt mit etwas Gemütlichkeit.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Warten
Ihre
Jutta Leiße

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